Das Handwerk hat in Deutschland eine jahrhundertealte Tradition. Doch die zunehmende Industrialisierung führte zum allmählichen Wandel des Handwerks und zum Aussterben vieler Handwerksberufe. Andererseits ist heute eine Renaissance der traditionellen Handwerksberufe spürbar.
In den frühmittelalterlichen Städten in Deutschland hatten die Patrizier das Sagen, eine Oberschicht aus Adel und Handelsherren. Andere Berufsgruppen, darunter die Handwerker, waren im Stadtrat nicht vertreten. Also schlossen sich die Handwerker in Zünften zusammen, einerseits um politisch und gesellschaftlich Einfluss nehmen zu können, andererseits aber auch, um die Qualität in ihrem jeweiligen Berufsstand sichern zu können.
Das ging dann mehrere Jahrhunderte gut bis sehr gut. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es dann vor allem in den politischen Systemen radikale Wechsel, also von der absolutistischen Herrschaftsform hin zu ersten Demokratien. Dazu kam ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Beginn der industriellen Revolution. In diesem technisch-wirtschaftlich-gesellschaftlichen Wandel waren natürlich auch Berufsorganisationen wie die Zünfte gezwungen sich anzupassen. Als Mitte des 19. Jahrhunderts schließlich die vollständige Gewerbefreiheit eingeführt wurde, hatte das fatale Folgen für das Handwerk. Die Qualität der Arbeit sank allgemein, Ausbildung gab es kaum noch. Es gab immer weniger qualifizierten Nachwuchs für die einzelnen Berufe.
Dies führte dazu, dass der Staat bereits Ende des 19. Jahrhunderts wieder gegensteuerte und sich von der völligen Gewerbefreiheit lossagte. Eine gewisse Reglementierung war einfach notwendig, um Ausbildung wieder attraktiv zu machen, sowie Qualität und Verbraucherschutz zu sichern. Man gab daher den verschiedenen Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen die Möglichkeit einer Selbstverwaltung. Für das Handwerk entstanden daraus recht schnell die Innungen und die Handwerkskammern.
Das Hauptaugenmerk liegt heute bei der Neuordnung einzelner traditioneller Handwerksberufe. Einerseits ist die Verschmelzung ehemals eigenständiger Handwerksberufe möglich, andererseits stoßen neue Techniken und moderne Technik in traditionelle Handwerksberufe. Hatte der Tischler noch vor 200 Jahren den klassischen Hobel und seine Hobelbank als Grundausstattung seiner Werkstatt, kamen vor 100 Jahren die elektrischen Hobelmaschinen hinzu. Heute steht in einer Tischlerei eine moderne CNC basierte Fräsmaschine, die die Arbeiten zum einen erleichtern aber auch beschleunigen. Somit entsteht ein hoher Konkurrenzdruck.
Der technische Fortschritt und die Industrialisierung haben die handwerkliche Arbeitswelt und die Gesellschaft schon längst verändert. So manche Tradition und tradierte Weisheit scheint nur noch ein liebevoller Blick in eine überholte Vergangenheit.
Die traditionellen Begriffe wie Meister, Gesellen und Lehrling existieren noch heute in unserer Arbeitswelt, und unsere modernen Produktionsmethoden wären nicht denkbar ohne die Traditionen, Erfahrungen und Weisheiten des alten Handwerks. Sein „Goldener Boden“ ist genauso sprichwörtlich wie „der Segen der Arbeit“.
Immer mehr kommunikationsmüde und modernisierungserschöpfte Menschen spüren ein tiefsitzendes Bedürfnis nach Natürlichkeit, Einfachheit und Rustikalem. Es geht ums Ausspannen und Entschleunigen, aber auch um Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit - zum Beispiel weg von industriell hin zu manuell gefertigter Ware.
Viele vom Aussterben bedrohte Berufe erleben so eine kleine Renaissance, weil sie an die "gute alte Zeit" erinnern und einen Gegenpol bilden zum unromantischen, schnellen Konsumleben.